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So habe ich mir das vorgestellt

Kennt jemand von euch noch Alexander Klaws? Ich hatte in meinem Leben so einige musikalische Ausrutscher, der gute Herr war wohl die Mutter all derer. Der erste DSDS-Gewinner überhaupt, dessen Lieder Beweis genug sind, dass Beethoven nicht der einzige taube Komponist der Musikgeschichte war, vielmehr jedoch der einzige, der das Talent hatte, trotzdem gute Musik zu komponieren, brachte kurz nach seinem ersten Erfolgshit ein Lied heraus, das einen ganz interessanten Namen hatte. Der ein oder andere mag vielleicht sogar noch etwas mit dem Titel „Sunshine after the rain“ oder eben auf gut Deutsch „Sonnenschein nach dem Regen“ anfangen können. So Leid es mir tut, dieser womöglich vollkommen aus dem Kontext gerissene Satz – ich kenne den Rest des Liedtextes überhaupt nicht mehr; die Melodie hingegen unglücklicherweise schon – stellt in diesem Beitrag das Zitat, mit dem ich beginnen möchte.

 

Meine Zeit in Auckland war nicht nur aufgrund des bescheidenen Wetters regnerisch. Ich stürmte von einem Hostel ins andere, dazwischen einmal Couchsurfing, wenig neue Gesichter und zwei Interviews. Letzteres endete in zwei Absagen – eine kam von mir, weil ich mich nicht für vier Monate verpflichten wollte, die andere…..kam eben nicht von mir.

 

Was sich wie verlorene Zeit anfühlte, hatte doch irgendwie einen guten Ausgang. Noch in Auckland erzählte mir einer meiner „alten Bekannten“ – Edmond, ich habe ihn sogar schon im ersten Beitrag erwähnt – von einer Website, auf der Bootsinhaber nach Crewmitgliedern suchen. In aller Euphorie meldete ich mich dort an und es ergab sich etwas, das ich schnell als Glücksfall wertete.

Der erste Bootsinhaber den ich kontaktierte, Klaus, meldete sich schnell und lud mich ein mit ihm gemeinsam sein Segelboot zu restaurieren, während er mir nebenbei das Segeln beibringt, sodass ich später, wenn das Boot einsatzbereit ist bei seinen Charter-Touren als Crewmitglied mitfahre. Klang für mich nach einem fairen Angebot, das einen ganz großen Vorteil beinhaltet. Dadurch, dass Klaus in Russell wohnt, was – ihr erinnert euch vielleicht – in den Northlands, also ein paar hundert Kilometer nördlich von Auckland liegt, hatte ich endlich eine Richtung, in die ich die Stadt verlassen konnte.

 

Da mir Busse zu teuer und langweilig sind, entschied ich mich, die gesamte Strecke zu hitchhiken. Kein ganz gefahrloses Vorhaben, schließlich braucht man für den Weg schon so um die vier Stunden und ich hatte keine Ahnung, wo ich bei einem möglichen Einbrechen der Dunkelheit übernachten könnte. Um dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren, wartete ich noch einen Tag ab und startete meinen Trip vormittags, sodass mir genügend Zeit bis zum Sonnenuntergang bleiben würde.

 

Mit einem frisch gebastelten Schild, auf dem deutlich lesbar „Russell“ stand, stellte ich mich also an den Straßenrand kurz vor der Highway-Auffahrt. Zum Glück fahren auch Busse auf den Highway auf, sodass kurz vor der genannten Auffahrt eine Bushaltestelle, die alle auffahrenden Fahrzeuge zwangsläufig passieren müssen, als gute Stelle zum Hitchhiken dient.

 

Es dauerte keine halbe Stunde, da hielt das erste Fahrzeug an und ein Mann, der sich später als Rich vorstellte, bot mir an, mich bis kurz vor Paihia – das ist schon die gleiche Gemeinde wie Russell – mitzunehmen.

Rich lebt und arbeitet in Auckland auf dem Bau und fährt jedes Wochenende weit in den Norden, weil dort seine Frau lebt. Wir fanden uns schnell auf einer Wellenlinie wieder, sodass die drei Stunden Fahrt problemlos vorrübergingen. Gut, zugegebenermaßen gab es an dem Auto nicht viel, was funktionierte – Rich lachte immer wieder selbst darüber, dass er das Fenster auf seiner Seite mit viel Kraft einfach nach unten drücken musste, um es zu öffnen, weil der Fensterheber schon lange kaputt war – und auch der Klassiker – die CD, die sich im Radio verhakt, sodass sie nicht mehr raus kommt und man dieselbe Platte auf und ab hören muss – war an Board, aber wir schafften es irgendwie mit Müh und Not an die versprochene Stelle, wo unser Highway einen anderen, der Richtung Paihia führt, kreuzte.

 

Auch hier fand sich schnell wieder eine geeignete Stelle – ist man nicht in Auckland, dann ist ein Highway eher mit einer deutschen Landstraße vergleichbar -, sodass ich nach einer kurzen Lunchpause Mac, einen jungen Mann von vielleicht Mitte 20 traf.

Er brachte mich bis nach Paihia an den Hafen, wo bei meinen weiteren Versuchen des Hitchhikens eine durchaus kuriose Situation entstand. Aufmerksame Leser wissen noch von meinem letzten Paihia-Bericht (ja, ich war schonmal hier), dass von dort aus eine Fähre Richtung Russell ablegt, die 7$ pro Fahrt kostet. Natürlich war ich nicht bereit, diesen Preis zu zahlen und ich hielt den Daumen raus. Genau vor dem Hafen. Der Hafen, an dem die Fähre ablegt.

 

Vollkommen überflüssig zu sagen, dass ständig Autos anhielten, um mir mitzuteilen, dass ich einfach die Fähre nehmen könnte. Nach einer guten Viertelstunde hatte ich davon die Schnauze gehörig voll und ich ging ein wenig die Straße entlang, bis ich außerhalb des Dorfes eine geeignete Stelle fand. Dort wiederum passierten mich keine fünf Autos, ehe Don, ein Junge meines Alters, der von einer am Tag zuvor stattgefundenen Feier in Kerikeri nach Russell heimkehrte und mir anbot, mich bis zu meinem finalen Zielort mitzunehmen.

 

Da war ich also an der „Wharf“ in Russell, gute fünf Stunden, nachdem ich gestartet war – keine schlechte Zeit, was? Mein erster Anruf – so war es ausgemacht – galt Klaus, der mir ankündigte, mich um fünf Uhr abzuholen, sodass ich noch eine knappe Stunde zu verbringen hatte.

 

Der erste Abend, den wir zusammen bei ein paar Bier in einem Lokal Russells verbrachten, brachte ungeahnt gute Neuigkeiten mit sich. Klaus, ein deutscher Auswanderer, erzählte mir, dass er in der Nähe von Russell wohnt und mir anbieten könne, bei ihm gegen tägliche Arbeit zu wohnen und Mittag- sowie Abendessen zu bekommen.

Die Arbeit beinhalte unter anderem auch Arbeit am Boot, das im Übrigen Anfang November in die Werft geschickt wird und danach einsatzbereit sein soll. Während dieser Zeit würde er mir „trocken“ das Segeln, sowie – wie sich einige Tage später zeigte – auch die klassische Seenavigation beibringen. Dass er der richtige Lehrer dafür ist, wurde mir spätestens klar, als ich von seiner ehemaligen Marine-Karriere hörte, vielleicht aber auch schon, als Klaus mir erzählte, welche Abenteuer er auf seinem Segelboot schon hatte und dass er damit praktisch die ganze Welt umsegelt hat.

 

Den kommenden Sonntag verbrachte ich noch ein einem in der Nähe liegenden Holiday Park, da Klaus die Wohnung, die ich beziehen sollte, an Gäste vermietet hatte – er bietet es zum Bed & Breakfast an, dazu gleich mehr –  und mich dadurch erst Montagmorgen in Empfang nehmen konnte.

 

Die Zeit im Holiday Park war durch die Tatsache, dass ich – übrigens der einzige Gast – mich schnell mit den Woofern vor Ort – Woofing ist eigentlich „Arbeit gegen Übernachtung“ auf Farmen, hat sich aber generell für diese Art der Beschäftigung eingebürgert – anfreundete, recht kurzweilig und gab mir wenig Zeit, mich einzuleben – schließlich war ich 24h vor meiner Ankunft im Urlaubsparadies noch im verregneten Auckland.

 

Dass die Entscheidung, nach Russell zu kommen die richtige war, stellte ich nicht erst fest als Klaus mir sein Anwesen zeigte. Schon bei unserer ersten Begegnung verstanden wir uns ausgesprochen gut, da wir durch unser gemeinsames Interesse für Geschichte und Politik (wie sich später rausstellte auch Wirtschaft und Naturwissenschaften) eine lange Diskussion (also ganz nach meinem Geschmack), die uns sogar die Zeit vergessen ließ, führten.

 

Das Grundstück, auf dem Klaus und seine kolumbianische Frau Adriana gemeinsam mit ihren zwei Katern und einigen Hühnern leben, ist mit deutscher Vorstellungskraft kaum noch zu beschreiben. Die Auffahrt ist länger als zu Grundschulzeiten mein täglicher Schulweg und beinhaltet sogar eine Kreuzung. Die Größe des Anwesens ist mit riesig gar nicht mehr zu beschreiben, wobei es trotzdem gepflegt ist. Ganze drei Häuser und ein Garage finden hier Platz – dabei ist vielleicht ein Drittel der Fläche bebaut bzw. zivilisiert.

 

Auf ein Mal macht auch das mit dem „Bed & Breakfast“ Sinn. Klaus und Adriana leben im oberen, vor zwei Jahren gebauten Haus, die anderen beiden werden vermietet. Das kleinste ist zwar nur ein Cottage, also ausgesprochen klein, aber das Haus, in dem schließlich auch ich einquartiert bin, ist mit vier Zimmern, einer Küche und einem Bad alles andere als klein und bietet insgesamt drei Räume zum Vermieten an. Da aktuell weder Ferienzeit, noch Sommer ist, bin ich zunächst der einzige „Mieter“ überhaupt, aber das wird sich in geraumer Zeit durchaus ändern.

Der erste Tag besteht daraus, bei angenehm warmen Wetter die Gemüsebeete umzugraben. Klaus eines, ich eines. Nach einer Weile bringt Adriana das Mittagessen – großartig belegte Brötchen und ein unglaublich guter Obstkuchen. Es soll nicht der letzte Beweis sein, dass Adriana eine großartige Köchin ist. Über den ganzen bisherigen Zeitraum gibt es nichts, was nicht in die Kategorie „köstlich“ fallen würde.

 

Tag zwei, endlich Segelboot! Der Grund aus dem ich hier bin. Das, wovon ich bei meiner Abreise nach Neuseeland träumte.

 

Klaus‘ Segelboot ist mit diesem doch etwas pauschal klingenden Begriff schon fast beleidigt. Schon als wir uns an diesem Tag der Bucht näherten und das Boot so langsam in Sicht kam, faszinierte mich seine Form. Die zwei Masten konnte man von weitem erkennen, darunter ein Rumpf, der sich wie ein weißer Schleier über das ruhige Meer legt.

Wir stiegen in unser Ruderboot, mit dem wir den Weg zur Boje, an dem Atair – so der Name des Segelbootes – festgemacht ist, zurücklegten. Je näher wir kamen, desto mehr beeindruckte mich die Brigantine. Eine Kabine, in leichtes blau gehüllt, der mächtige Klüverbaum, scheinbar bereit, jedem Sturm zu trotzen. Als wir kurz vor Atair sind, baut sich ihr Rumpf vor uns auf und hüllt den Horizont in seine weiße Farbe.

In die Mitte des Bootes stehen, an die Reling greifen, ein Schritt, noch einer. Wir sind oben. An Deck des Bootes. Braune Holzlatten breiten sich vor uns aus. Dazwischen die Mäste, all die Leinen aus Strick und Stahl, die Sonne direkt über uns. Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Genau so.

 

Handwerkliche Arbeiten gehen natürlich leichter von der Hand, wenn man von seiner Umwelt so begeistert ist, wie ich in diesem Moment. Wir schliffen den ganze Nachmittag lang, aßen, unterhielten uns über Geschichte, Politik und Wirtschaft. Am liebsten in der Kombination.  Eine wundervolle Tätigkeit.

 

Die restlichen Tage gingen ähnlich vonstatten wie diese ersten beide. Im Moment bin ich zwar damit beschäftigt, das Haus abzuschleifen, damit wir es neu streichen können, aber danach steht dem Boot nichts mehr im Wege.

 

Bevor ich den Bericht beende (er hat ja schon eine stattliche Länge – erinnert sich noch einer von euch an Alexander Klaws?), noch ein paar Worte zu meinem Segelunterricht. Um ehrlich zu sein, macht es mich stolz, diesen Unterricht genießen zu dürfen. Klaus ist mehr als nur ein fähiger Segler. Er segelt ein schwieriges Boot (theoretisch können acht Segel gleichzeitig gesetzt werden) und wendet dabei ganz bewusst klassische Segel- und Navigationstechniken an. Er ist einer der wenigen verbleibenden Lehrer, der mir das Segeln in seiner Urform beibringen kann – mit Rah-Segeln, Seekarte und Sextant. Ein Unterricht, den ich nicht ganz grundlos in allen Zügen genieße.

 

Nach mehr als drei Din-A4-Seiten erlöse ich euch an dieser Stelle. Nachdem ich mich technisch bedingt (hier draußen ist das mit dem Internet so eine Sache) lange Zeit nicht melden konnte, denke ich, dass es an Ausführlichkeit dieses Mal nicht gemangelt hat.

Ob und wieviel es in nächster Zeit zu berichten gibt, wird sich zeigen. Der Plan ist, bis Weihnachten hier zu bleiben und dann weiter zu ziehen. Mit meinem Alltag verschone ich euch und fahre lieber die Frequenz der Beträge zugunsten der Attraktivität ein wenig zurück. Es sei mir verziehen, ich habe jetzt eine Sonnenscheinphase. Sunshine…..after the rain….ohohoho…..blöder Ohrwurm!

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