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Hitchhikerzuwinkevollidioten

Wer hätte schon ahnen können, dass es dazu kommen wird. In der Hoffnung auf einen sonnigen Jahresbeginn im Hochsommer der Südhalbkugel reiste ich Anfang September nach Neuseeland – und wurde prompt enttäuscht. Entgegen aller Erwartungen begann 2016 hier in Mt Maunganui, Neuseeland, weder mit Sonnenschein, noch mit Hochsommer, sondern vielmehr mit tagelangem Dauerregen. Na toll…

 

Da es sich um meinen ersten Beitrag im neuen Jahr handelt, möchte ich – wenn ich es schon im ersten Absatz versäumt habe, dann wenigstens im zweiten – die Chance nutzen, ein erfolgreiches neues Jahr zu wünschen. Politisch gesehen steht uns sicher eines der Interessanteren bevor, was mich noch mehr antreibt, die Zeit am anderen Ende der Welt ganz weit weg von dem ganzen Zirkus zu genießen. Wir mögen Dauerregen haben, aber wenigstens bleiben wir von allen Trumps, Le Pens und Petrys dieser Welt verschont.

 

Dadurch, dass ich meinen letzten Beitrag noch vor Weihnachten veröffentlichte, wird dieser hier eine Art jahresübergreifende Zusammenfassung der letzten Tage werden.

 

Weihnachten unter Palmen, so lautete zumindest mein persönliches Motto des diesjährigen Festes und so lässt es sich im Nachhinein auch ganz vorzüglich beschreiben. Nachdem der 24. uns mit schlechtem Wetter eine eher dürftige Voraussetzung für das hochsommerliche Weihnachtsfest gab, was wir aber mit dem vorgezogenen internationalen Dinner, zu dem ich Käsespätzle nach Mamas Rezept beisteuerte, und einer ordentlichen Feier danach kompensierten, bescherte uns der 25. neben einem Kater Strandwetter vom Feinsten. Eine Einladung, der wir nicht wiederstehen konnten, was uns dazu veranlasste, die Feier spontan an den Strand zu verlegen und später bei einem ordentlichen Barbecue ausklingen zu lassen. Nach zwei Tagen Weihnachten war dann der Punkt erreicht, wo sich das Vokabular der meisten auf „Hohoho“ beschränkt und sich der Bauch anfühlt wie ein Geschenkesack, den man um die ganze Welt transportiert hat, aber zumindest das Motto war damit voll und ganz ausgefüllt. Na dann mal frohes Fest!

 

Kurze Zeit später verließ ich das Hostel, in dem ich immerhin drei Wochen verbracht hatte und zog gemeinsamen mit Jo, einem englischen Surflehrer für zwei Wochen in die Wohnung seiner Kollegin, die urlaubstechnisch sonst leer stehen würde. Zugleich trieb ich mich immer mehr bei Gelegenheitsjobs herum, bei denen ich u.a. als Nachtwächter einer Wasserrutsche, – ja, richtig, eine Wasserrutsche. Bekanntermaßen sind das beliebte Ziele für Diebstahldelikte, weil sie außerordentlich gewinnbringend und transportabel sind – Flyer-an-Windschutzscheiben-parkender-Autos-Kleber oder professioneller Betreiber mehrerer Jahrmarktsfahrgeschäfte – den Job mache ich übrigens immer noch – arbeitete. Die Möglichkeit, dabei kostenlos zu leben versprach zwar mehr Geld, als es im Endeffekt einbrachte, aber das Leben will eben nicht immer so wie ich will – das Leben und meine Arbeitgeber.

 

Ein kleiner Nachteil bestand bei der ganzen Geschichte von Anfang an und inspirierte mich auch zu dem äußerst kreativen Titel dieses Beitrags. Dadurch, dass die Wohnung ca. 6 Km weit weg von Hostel (immer noch meine zentrale Anlaufstelle) und Jahrmarkt (wird übrigens bei den Kiwis eigenartigerweise Karneval genannt) ist, bin ich gezwungen, zwei Mal täglich zu hitchhiken.

Eigentlich ist es schon fast ein wenig unterhaltsam, zumindest aber deutlich aufschlussreich jeden Tag in einer Stadt zu trampen, da die Erfahrung, die man dabei macht, immer wieder dieselbe ist und sich somit bestätigt.

Man könnte meinen, es wäre einfach, hier im Mount per Anhalter zu fahren. Ich habe eine sehr gute Stelle gefunden, die nichts weiter als eine gut 200m lange, mehrere Meter breite Ausbuchtung an einer vielbefahrenen Straße ist. Die Autos fahren an dieser Stelle nicht zu schnell, weil ein Kreisverkehr direkt hinter ihnen liegt und fahren größtenteils in die gleiche Richtung. Das komische daran: Es ist überhaupt nicht einfach.

 

Während ich bei meinen Reisen von Stadt zu Stadt, bei denen ich in Dörfern und teilweise umgeben von nichts als Wiesen trampte, noch von den Möglichkeiten des Hitchhiking in Neuseeland und der Offenheit der Kiwis gegenüber Anhaltern begeistert war, muss ich diese Einstellung zumindest für den Mount revidieren. Im Sekundentakt passieren einen Autos, manchmal bis auf den Fahrer vollkommen leer, die nicht einmal darüber nachdenken, anzuhalten. Diejenigen, die sich gerne als zivilisiert und anständig bezeichnen – gutgekleidete, wohlhabende Menschen, meist 40 Jahre und älter – sind so gut wie nie bereit, einem auszuhelfen, während es auf der anderen Seite meistens diejenigen, über die die eben genannte Bevölkerungsschicht ganz gerne abfällig urteilt – Arbeiter und die ach-so-verkommene junge Generation – diejenigen sind, die einem Mitmenschen aushelfen. Eigentlich ist das nichts worüber man sich als Hitchhiker aufregen sollte, schließlich ist es kein Recht, sondern ein Privileg, wenn man mitgenommen wird, doch zeigt es wie ich finde ganz gut eine weit verbreitete Einstellung, die man bei genauerer Betrachtung in vielen Lebensbereichen wiederfindet. Sonntags beten ist eben einfach als montags helfen.

 

Neben denjenigen, die einem nicht aushelfen, obwohl sie es ohne, dass ihnen dabei Kosten oder Schaden entstehen würde, tun könnten – nochmal, ich will darüber nicht urteilen; ich bin nicht verärgert, wenn man mich nicht mitnimmt, sondern froh, wenn man mich mitnimmt – gibt es aber noch eine andere Gruppe Fahrer. Hitchhikerzuwinkevollidioten.

 

Jeder, der regelmäßig trampt wird wissen, wovon ich rede. Eine Regel des Hitchhikings ist, den Fahrer freundlich anzulächeln und nicht in der Gegend herumzuschauen, um von Anfang an die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Manche reagieren damit, das nicht weiter zu beachten, andere damit, anzuhalten. Eine dritte Gruppe reagiert äußerst eigenartig. Wie dieses Phänomen entsteht, ist mir noch nicht ganz klar, aber ich tippe darauf, dass diese Leute keine Anhalter mitnehmen wollen, aber trotzdem nicht unfreundlich wirken möchten. Um dieses Ziel zu erreichen, winken sie. Lächeln und winken. Ein herrlicher Repräsentant des Freundlichkeitsverständnisses in der westlichen Gesellschaft. Ich winke, also bin ich.

 

Um mal wieder zur chronologischen Berichterstattung zurückzukehren mache ich einen kleinen Sprung Richtung Silvester.

Der Abend, an dem man sich entscheidet, eine Zahl im Datum zu verändern, hat hier in Mt Maunganuis schon fast Kult-Status, da bei dem öffentlichen und kostenlosen Festival, das jährlich veranstaltet wird, regelmäßig Ausnahmezustand herrscht.

Für die meisten von uns – die Wir-Form verwende ich übrigens für Leute aus dem Hostel – begann der Abend zunächst mit einer dreistündigen Schicht bis 22 Uhr beim „Karneval“. Ob wir dabei so ganz nüchtern waren oder nicht, sei mal dahingestellt, auf jeden Fall folgte nach einem kurzen Aufwärm-Abstecher im Hostel der Gang zum Strand, wo die drei Bühnen aufgebaut waren. Dadurch, dass wir für den Hinweg eine Weile brauchten und das Fest schon um 1 Uhr wieder vorüber war, schafften wir es zwar nur zu einer dieser Bühnen, aber die hatte es schon allein location-technisch – direkt vor Leisure Island am Strand gelegen – in sich. Musik, Party, Feuerwerk um Mitternacht, lange Nacht, Sonnenaufgang….Silvester eben.

 

Nachdem die nächsten Tage regnerisch geprägt waren, zeigte sich die Sonne wieder für kurze Zeit, nur um sich heute abermals dem Himmelswasser zu ergeben. Ein guter Grund am Wochenende oder Anfang nächster Woche meine Sachen zu packen und weiterzuziehen. Inzwischen ist fast die Hälfte meines Aufenthaltes um und ich habe noch viel zu sehen.

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