Dass ich mich für einen ganzen Monat nicht mehr melden würde, hatte ich nicht auf dem Schirm als ich meinen letzten Bericht schrieb. Irgendwie ging dann doch die Zeit ins Land und ich fand weder die Verbindung, noch die Motivation, den Blog mal auf den neuesten Stand zu bringen, obwohl es doch so einiges zu erzählen gab. Was soll’s; wenigstens wird dieser Beitrag eine stattliche Länge haben, denn an Details werde ich wohl kaum sparen.
Die gute Nachricht ist: Das Haus ist inzwischen gestrichen. Nun gut, das ist so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnere, aber das gehört auch definitiv nicht zu den Highlights des Novembers.
Die Zeit bei Klaus war über viele Strecken ähnlich wie ich es schon berichtete. Arbeiten, Freizeit, Segeln lernen. Zwischendurch eine kleine Auszeit, in der ich ein Wochenende bei Uwe und Maria – von Klaus und Adriana vermittelt – arbeitete und Bäume fällte. Ja, Bäume. Der größte davon um die zwei Meter Stammdurchmesser. Man tut eben, was man kann. Oder auch nicht kann.
Anfang November war es so weit, dass Atair – Klaus‘ Briggantine – wortwörtlich aus dem Wasser durfte. Werftzeit.
Wenn mich meine Erinnerung nicht ganz trügt war es ein Donnerstag, an dem wir uns von der Mooring lösten und die 30 Tonnen Stahl zum ersten Mal – zumindest zum ersten Mal mit mir als Crew – in Bewegung setzten. Zugegebenermaßen war es noch der Dieselmotor und nicht die Segel, die uns Antrieb verliehen und die Fahrt ging nur zur nebenan liegenden Opua Wharf, aber das Gefühl, als sich das Boot über die gesamte Länge von fast 22 Metern in Bewegung setzte, war vergleichbar damit, als Kind zum ersten Mal auf einem Schiff zu sein.
Dort angekommen _ wir legte für den ersten Tag noch an der Pier an _ stellten wir überrascht fest, dass die Schürmanns, eine der reichsten Familien Brasiliens, auf ihrer Reise Richtung China unsere Nachbarn waren. Ungeachtet dessen waren klassische Vorbereitungsarbeiten angesagt – Deck schruppen, hier und da etwas schleifen,…
Meine erste Nacht auf dem Boot ist zwangsweise wohl als eher durchwachsen zu beschreiben. An so ein paar Dinge muss man sich als Landratte dann eben doch gewöhnen. Überraschend ausgeschlafen ging es morgens wieder an die Arbeit, immer mit dem Wissen, dass wir noch am selben Tag aus dem Wasser gezogen würden.
Diesen spektakulären Akt vollbringt normalerweise eine Art Lift, der die Boote ganz einfach anhebt und an den gewünschten Platz fahren kann. Das Blöde daran: mit 21 Metern ist Atair zwar noch nicht zu lang dafür, aber aufgrund des Klüverstags, das sich vom vorderen Ende des Klüverbaums bis an die Spitze des Vormasts erstreckt kann der Lift das Boot nicht aufnehmen. Eine Alternative für alles, was nicht geliftet werden kann bietet die Werft einen Slipwagen an.
Das Prinzip hierbei ist eigentlich ganz einfach. Das Boot wird auf einen Wagen gefahren, der im Wasser liegt und über vier Säulen (auf jeder Seite zwei), die man durch Drehen enger oder weiter spannen kann festgemacht. Der mit Seilen an einem starken Motor befestigte und auf Schienen, die ins Wasser führen fahrende Wagen wird daraufhin ins Trockene gezogen, wobei das darauf befindliche Boot selbsterklärend ebenfalls trocken liegt.
Wo das Prinzip einfach ist, ist die Ausführung meistens schwer. Wichtig ist es, das Wasserfahrzeug genau zwischen die Säule zu steuern und diese so anzudrehen, dass das Boot am Ende gerade steht. Knoten machen, Springs legen, Knoten wieder aufmachen, nochmal korrigieren, auf die Säule klettern, Rad drehen, Holz zwischenlegen – es kommt so einiges zusammen. Dass damit die eigentliche Arbeit erst beginnt, kann man an der Stelle schon ahnen.
Nach zwei Jahren im Wasser sieht so ein Rumpf sicher nicht schön aus. Muscheln sammeln sich, Risse im Lack tun sich auf, die Anti Fouling ist ohnehin nicht mehr die schönste und so weiter. Alles muss bearbeitet werden, was bei der riesigen Rumpffläche natürlich so einige Zeit in Anspruch nimmt.
Nachdem wir noch am selben Abend waterblasteten – hierbei wird der Rumpf mit einem sehr starken Wasserstrahl bearbeitet, um zumindest das gröbste zu entfernen – wartete auf uns eine Woche Schleifen, Ankerkette entrosten, streichen, abkleben, putzen, polieren, schruppen. Alles Dinge, die auf einer Werft nun mal gemacht werden müssen.
14 Tage dauerten die Arbeiten insgesamt, davon acht auf dem Slip. Es wurde Zeit, endlich zu segeln.
Manchmal kommt es wie es kommen muss – während wir auf der Werft noch bestes Wetter hatten, lies die Sonne in den kommenden Tagen nach, während immer mehr Bewölkung und Regen eintraten. Der für eine knappe Woche angelegte Segeltrip musste auf vier Tage reduziert werden, um ein kleines Fenster guten Wetters auszunutzen.
Unabhängig davon waren eben diese vier Tage wohl die besten seit meiner Ankunft. Von Te Wakapu, der Bucht in der Atair liegt, segelten wir in die Bay of Islands, die, wie ich irgendwann feststellte, in ihrem Kern von Russell oder Paihia aus gesehen überhaupt nicht sichtbar sind. Ein verlassener Teil Neuseelands, der nur mit dem Boot erreichbar ist.
Wer schon einmal einen Segelturn gemacht hat, dem muss ich wohl kaum erzählen, dass das Segeln als Gesamtes mit nichts anderem vergleichbar ist. Sich vom Wind über die Wellen drücken zu lassen ist mit einem zweimastigen, 21 Meter langen Stahlschiff noch beeindruckender als ich es von den kleinen Jollen kenne (wen wundert’s?) und als Crew_Mitglied mitzuarbeiten wertet die ganze Sache stark auf.
Nach langen Segeltagen ankerten wir in verlassenen Buchten _ die malerische Robinson Island, die wir am letzten Tag aufsuchten sei davon mal ausgenommen, schließlich waren wir dort von Amerikanern und Franzosen umzingelt und wussten uns nur noch durch das Hissen der deutschen Fahne zu helfen _ und erfreuten uns an der Ruhe des Segelns. ’s Lebe.
Irgendwann ist für jeden Mal Zeit, aufzubrechen und so verlies ich Klaus nach diesem Trip _ zumindest für die nächsten zwei Wochen.
Mein längster Hitchhike bisher sollte mich von Russell nach Hamilton führen, wobei ich schon in Paihia feststellen musste, dass es nicht sonderlich klug war, ihn abends zu beginnen. Glücklicherweise boten mir die zwei Travellerinnen, die mich von Opua bis Paihia mitnahmen (an der Stelle empfehle ich den Einsatz einer Landkarte) an, bei ihnen im Van zu übernachten, was dazu führte, dass ich erst am nächsten Tag mit mehreren Mitfahrgelegenheiten, die mich in die Autos eines britischen Einwanderers, eines Lehrers, zweier ältere Damen, die kurz vor der Hochzeit ihrer Enkel standen, eines unerwartet freundlichen Aucklanders und zwei chinesischer Studenten brachten, bis nach Hamilton fuhr.
Vor Ort lernte ich Ben, eine Engländer aus der Gegend von Yorkshire, kennen, mit dem ich am Morgen danach nach Raglan, das eigentliche Ziel meiner Reise, weiterfuhr.
Dieser touristisch geprägte Ort ist als einer der Surfer-Hotspots Neuseelands bekannt und sollte mich dazu motivieren, das Wellenreiten zu lernen oder zumindest mal auszuprobieren.
Dort angekommen stellte ich schnell fest, dass das Surfen sich nicht nur auf die Strände beschränkt, sondern als Lifestyle im ganzen Dorf wiederzufinden ist. Überall finden sich Menschen zusammen, die mit langen Dreadlocks, relaxter Stimmung und ganz viel Liebe im Dauer-High-Zustand durch die Gegend laufen und – wohl wenig überraschend – als Gesamtheit womöglich die freundlichste und offenste Gruppe Menschen sind, die ich je getroffen habe.
Am nächsten Tag entschied ich mich also tatsächlich, mir ein Board zu leihen und das Surfen zu lernen. Einen Lehrer braucht man nicht, wenn man sich noch im Verleihhandel umdreht, die Leute die hinter einem stehen nach einer Mitfahrgelegenheit an den Strand fragt und sich im nächsten Augenblick in einer Gruppe Surfer wie aus dem Bilderbuch wiederfindet, die ganz klassisch mit einem Self-Contained-Campervan mit zwei Kayaks auf dem Dach durch die Welt ziehen. So schnell macht man in Neuseeland neue Freunde.
Dank meiner Snowboard-Erfahrung (ja, Snowboarden kommt dem Surfen in gewissen Teilen nahe, auch wenn das die meisten irgendwie nicht bestätigen) war es mir vergönnt, schon früh aufzustehen und zumindest in den schon gebrochenen White-Waves Dinge zu tun, die dem Surfen recht nahe kommen. Das zählt!
Auch wenn hierauf die Priorität liegt, ist Surfen nicht die einzige Beschäftigung, der man in Raglan nachgehen kann. Nachdem wir rausfanden, dass es ganz in der Nähe einen angeblich schwierigen Hiking-Track gibt, entschieden Ben und ich den heutigen Tag gemeinsam mit drei weiteren Hikern dort zu verbringen. Ach ja, streicht das „angeblich“. Wenn schon nicht von der Länge, dann doch von den Anforderungen her war The Pinnacles die reinste Wellness-Tour dagegen.
Der sogenannte Mt. Kariori, der in einer Höhe von guten 700 Metern liegt verlangt einem doch so einiges ab. Mit Hiking hat die Klettertour über Felswände, durch Matsch und Dreck und entlang langer Wiesen und dünner Grate zumindest im klassischen Sinne nicht mehr viel zu tun und ist eher als Adventure-Tour anzusehen. Der Lohn für die Strapazen: Als wir die Spitze erreichten, konnten wir aufgrund der dichten Bewölkung kaum etwas sehen. So war das eigentlich nicht geplant…
Viel länger werde ich wohl nicht in Raglan bleiben. Morgen werde ich – entsprechendes Wetter vorausgesetzt noch einmal Surfen gehen, um dann Richtung Osten aufzubrechen. Tauranga ist meine letzte Station auf der Nordseite der Nordinsel, bevor ich wieder nach Russell hitchhike, dort mit Klaus zusammen einen Chartertrip fahre und dann dem Süden entgegenfahre. Die Zeit wird schon zeigen, wohin es mich verschlägt.
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